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Öffentliche Anhörung im Bundestag Mai 2024

Deutscher Bundestag - Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 13. Mai 2024

angeforderte Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 13. Mai 2024 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes“ BT-Drs. 20/10861 

An den Deutschen Bundestag Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Berlin 

Frankfurt am Main, 06.05.2024 

Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Drucksache 20/10861, 27.03.2024, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskon- fliktgesetzes, öffentliche Anhörung am 13.05.2024 

I. Zu meiner Person 

Mein Name ist Tomislav Čunović, gebürtiger Bielefelder, seit 2008 als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main zugelassen, Geschäftsführer von 40 Days for Life International1 und Of Counsel des Institute of Law and Justice2

40 Days for Life ist eine internationale Bewegung, welche durch friedliches und rechtmässiges Gebet vor Abtreibunugskliniken weltweit bereits mehr als 24 000 ungeborene Kinder vor einer Abtreibung gerretet hat, weil sich die Mütter für das Kind entschieden haben. Das Institut of Law and Justice ist ein an 40 Days for Life angegliedertes Institut, welches sich der Verteidigung der Meinungs-, Versammlungs-, und Religionsfreiheit widmet. 

Im Zuge meiner anwaltlichen Taetigkeit habe ich u.A. die Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit meiner Mandanten - welche friedliche Gebetsversammlungen vor den Beratungsstellen der pro familia in Pforzheim, Frankfurt a.M. und Passau organisiert haben - erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten in Frankfurt, Karlsruhe, Regensburg und den Verwaltungsgerichtshöfen in Kassel, Mannheim und München und schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durchgesetzt und werde vor diesem Hintergrund meine rechtliche Einschätzung zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf abgeben. 

„Meine Damen und Herren, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ 

Dieser Satz wird Voltaire zugeschrieben und er trifft den Kern des hier im Raum stehenden Problems sehr gut. 

Vorliegend geht es nicht darum, wie man inhaltlich zum Thema Abtreibung steht - pro life oder pro choice -, sondern ob man seine Meinung zu diesem Thema überhaupt noch frei äußern kann oder ob man mit Verbannung aus dem öffentlichen Diskurs oder gar einer strafrechtlichen Sanktion rechnen muss, falls man es wagt die herrschende Abtreibungspraxis hierzulande öffentlich kritisch zu hinterfragen. 

Der vorliegende Gesetzentwurf wirft mehr Fragen auf als er beantwortet. Er ist nicht praxistauglich und wird zu mehr Rechtsunsicherheit führen. Weitere rechtliche Konflikte sind vorprogrammiert. Bedenklich ist bereits, dass der vorliegende Gesetzentwurf gezielt eine bestimmte Meinung, nämlich die Meinung christlich motivierter Lebensrechtler zum Lebensschutz ungeborener Kinder beschränken möchte und somit gegen den Grundsatz des Verbots des Einzelfallgesetzes 19 I GG i.V.m. Art. 5, Art. 8 und Art. 4 GG verstoßen dürfte. Einzelne Regelungen des Gesetzesentwurfes (§ 8 und § 13) sind ferner zu unbestimmt und dürften daher mit dem Bestimmtheitsgrundsatz (20 III GG, 103 II GG) nicht in Einklang zu bringen sein, denn der Sanktionskatalog definiert nicht, was genau unter den dort als unzulässig aufgezählten Verhaltensweisen zu verstehen ist. Insbesondere dürfte auch die Abstandsregelung von 100 Metern um den Eingangsbereich von Beratungsstellen oder Abtreibungskliniken (§ 8 und § 13) mit dem Übermaßverbot nicht zu vereinbaren sein, denn es ist nicht ersichtlich, dass eine solche gravierende örtliche Versammlungsbeschränkung erforderlich und verhältnismässig wäre. Schliesslich ist auch fraglich, ob der Bundesregierung die Gesetzgebungskomptenz für diese Gesetzesinitiate zusteht, denn Versammlungsrechtliche Angelegenheiten sind grundsätzlich Ländersache. Diese und andere rechtlichen Konflikte werden insbesondere dann virulent werden und früher oder später die Gericht beschäftigen, wenn die Versammlungs- bzw. Verfolgungsbehörden das Gesetz – sollte es so verabschiedet werden - nicht im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit auslegen und anwenden sollten. Bei Verfassungskonformer Auslegung hingegen, dürften weder eine Versammlung von friedlich betenden Lebensrechtlern vor einer Beratungsstelle oder einer Abtreibungsklinik, noch die einvernehmlichen Gespräche zwischen einer Schwangeren und einer Gehsteigberaterin vor einer Beratungsstelle oder Abtreibungsklinik erfasst und beschränkt werden, denn weder stellt das friedliche Gebet3, noch das im beiderseitigen Einverständnis stattfindende Gespräch4 zwischen einer schwangeren Frau und einer Gehsteigberaterin eine aufdringliche oder nötigende Situation5 dar und kann daher nicht verboten werden. 

III. Rechtswidrige Bannmeilen gegen friedliche Versammlungen in Frankfurt a.M und Pforzheim 

Menschen denen das Leben eines ungeborenen Kindes ein Gebetsanliegen ist, versammeln sich vor Beratungsstellen der pro familia oder vor Abtreibungskliniken um friedlich zu beten. Hiermit tun sie etwas was zur christlichen Tradition gehört. Für jemanden der in Todesgefahr ist bzw. für jemanden der sterben wird zu beten. Ein Verhalten welches verfassungsrechtlich geschützt ist. Das charakteristische an der Versammlungsfreiheit ist, dass der Grundrechtsträger, welcher sich auf dieses Grundrecht berufen kann, frei über Ort, Inhalt, Zeit und Art der Versammlung bestimmen kann.6 

Im Klartext bedeutet das: Ich gehe dorthin wo ich denke etwas bewirken zu können und muss niemanden Rechenschaft dafür ablegen wieso ich dorthin gehe und meine Meinung dort kundtue. Wenn ich gegen ein Atomkraftwerk demonstriere, dann stehe ich ja auch vor einem Atomkraftwerk und nicht im Wald. So gehen Lebensrechtler bzw. Gehsteigberater logischerweise auch vor Beratungsstellen der pro familia, welche sich aufgrund ihrer organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung mit nationalen Abtreibungszentren wie den pro familia Abtreibungszentren7 bzw. internationalen Abtreibungsorganisationen wie der International Planned Parenthood Federation8 in einem eklatanten Interessenkonflikt befindet (§9 Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, SchKG ). 

Dass die Gebetsversammlungen in Frankfurt und Pforzheim stets und absolut friedlich waren und versammlungsrechtlich und strafrechtlich zu keinem Zeitpunkt zu beanstanden waren, war allen Beteiligten sowohl in Frankfurt als auch in Pforzheim, d.h. der Versammlungsbehörde, dem Rechtsamt, dem Bürgermeister, der Polizei und auch der pro familia von Anfang an positiv bekannt und ist zudem aktenkundig. Daher haben sowohl das Rechtsamt in Frankfurt als auch in Pforzheim eindringlich vor der Einführung einer Bannmeile gewarnt (siehe Verfahrensakten), da ein solcher Eingriff in die Versammlungsfreiheit verfassungswidrig wäre. Insoweit ist es auch nur folgerichtig, dass der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages bereits im Jahr 2018 klargestellt hat, dass die Einführung von festen Bannmeilen um Abtreibungskliniken verfassungswidrig wäre.9 

Dennoch haben die pro familia mit Unterstützung ihrer Rechtsanwälte und mit Hilfe ihr wohlgesinnter Politiker und Medien nichts unversucht gelassen und haben begonnen die friedlich betenden Lebensrechtler zu verunglimpfen und als versammungsrechtliche Gefahr für pro familia Mitarbeiter, Passanten und insbesondere für schwangere Frauen, welche die Beratungsstelle aufsuchen, darzustellen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt haben sich die Versammlungsbehörden in Frankfurt und Pforzheim dem inszenierten politischen und medialen Druck nicht mehr entziehen können und sehenden Augen rechtswidrige Bannmeilen (ausser Ruf- und Sichtweite) um die pro familia Beratungsstellen in Frankfurt und Pforzheim verfügt und damit vorsätzlich gegen den Grundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen, welcher vorschreibt, dass die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist. 

Dieser verfassungswidrigen Inszenierung haben dann das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil10 vom 12.12.2021, Az.: 5 K 403/21.F und mit Beschluss11 vom 01.03.2022, Az.: 5 L 512/22.F ; das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss v. 29.09.2022, Az.: 2 K 3296/22; der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel mit Beschluss12 vom 18.3.2022, Az.: 2 B 375/22; der Baden Würtembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim mit Urteil13 vom 25.08.2022, Az.: 1 S 3575/21 und schließlich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Beschluss14 vom 23.05.2023, Az.: BVerwG 6 B 33.22, einen klaren Riegel vorgeschoben und die Sache dahingehend präzisiert, dass pauschale Verbote von Gebetsversammlungen vor Abtreibungskliniken bzw. vor Beratungsstellen unzulässig sind15 und ein absoluter Konfrontationsschutz16 für schwangere Frauen mit dem Versammlungsthema an solchen Orten nicht existiert. 

Während der o.g. Gerichtsverfahren, sind die von der pro familia, einigen Medien und einigen Politiker aufgeblasenen Berichte von vermeintlichen Belästigungen und Bedrohungen schwangerer Frauen durch friedlich betende Personen, wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Es konnte kein einziger konkreter vermeintlicher Belästigungsvorfall oder ein entsprechender Zeuge benannt werden. Es handelte sich von Anfang vielmehr um eine gezielte Kampagne zur medialen Manipulation und Falschinformationen. 

IV. Die Inszenierung17 geht weiter 

Gleichwohl wird der vorliegende Gesetzentwurf mit derselben Rhetorik begründet und unter Verwendung der gleichen Taktik vorangetrieben, mit welcher schon die vorstehend genannten Gerichtsprozesse auf Seiten der Stadt Frankfurt und Stadt Pforzheim verloren wurden. Die Bundesregierung hat anscheinend vollkommen das Gespür für die hier vorliegende Dynamik verloren und sich aus ideologischen Gründen verrannt. 

Es ist wieder allen Beteiligten klar, dass von den absolut friedlichen Lebensrechtlern keinerlei Gefahren ausgehen. Seitens des Bundesregierung können weder konkrete Fakten noch Zeugen zu den vermeintlichen Belästigungen benannt werden. Dennoch werden friedlich betende Menschen bzw. friedliche Gehsteigberater erneut und diesmal per Gesetz unter Generalverdacht gestellt und in eine versammlungsrechtliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. für schwangere Frauen umgedeutet. Das ist absurd. Absurd schon deshalb, weil es gerade die Lebensrechtler sind, die ständig bedroht18 und eingeschüchtert19 werden und Hass und Hetze20 ausgesetzt sind. 

Das Recht auf Privatsphäre der schwangeren Frau, welches es zweifelsfrei zu schützen gilt und welches hinreichend im Rahmen des geltenden Rechts geschützt werden kann, wird hier seitens der Bundesregierung überdehnt und gegen das Versammlungsrecht von friedlichen Lebensrechtlern21 in Stellung gebracht um diese zu kriminalisieren. 

Im Hinblick auf die geplante Legalisierung der Abtreibung, wäre die Beschränkung der Meinungs,- und Versammlungsfreiheit von Lebensrechtlern durch die Einführung von festen Bannmeilen um Abtreibungskliniken ein willkommenes Instrument um unliebsame Lebensrechtler in Zukunft von den Abtreibungskliniken fernzuhalten. 

V. Fazit 

Von diesem verfassungswidrigen Gesetzesvorhaben kann ich nur abraten. Das Versammlungsrecht und Strafrecht bieten hinreichende Möglichkeiten um die Grundrechte aller Beteiligter in verfassungskonformer Weise zum Ausgleich zu bringen. 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit ! 

Tomislav Čunović 

Rechtsanwalt, Frankfurt am Main Geschäftsführer 40 Days for Life International Of Counsel, Institute of Law and Justice 

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NOTEN



1 https://40daysforlifeinternational.com/en/wl/sec/who-we-are ; https://www.40daysforlife.com/en/about-team.aspx
2 https://www.40daysforlife.com/en/institute-of-law-and-justice.aspx 

3 BVerwG, Beschluss v. 23.05.2023, Az. BVerwG 6 B 33.22; https://www.bverwg.de/de/230523B6B33.22.0
4 VG München, Urteil v. 12.05.2016, Az.: M 22 K 15.4369; https://openjur.de/u/895847.html 

5 BverfG zum “Spiessrutenlauf”, Beschluss v. 08.06.2010, Az.: 1 BvR 1745/06, https:// www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/06/rk20100608_1bvr174506.html 
6 BVerfG, Brokdorf - Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, https://openjur.de/u/174493.html
7 https://www.profamilia.de/ueber-pro-familia/medizinische-zentren 

8 https://www.profamilia.de/pro-familia/bundesverband 
9 WD BT, Ausarbeitung v. 02.07.2018, „Mahnwachen“ vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, WD 3 - 3000 - 229/18 ; https://www.bundestag.de/resource/blob/564394/d7b3b816f680aa4dd8986534fba427c6/wd-3-229-18-pdf-data.pdf 
10 VG Frankfurt a.M., Urteil v. 12.12.2021, AZ: 5 K 403/21.F, https://verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/presse/40-taegige-gebetswache 
11 VG Frankfurt a.M., Beschluss v. 01.03.2022, Az.: 5 L 512/22.F, https://verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/presse/40-tage-fuer-das-leben 
12 VGH Kassel, Beschluss v. 18.3.2022, Az.: 2 B 375/22; https://verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/presse/40-taegige-gebetswache-0 
13 VGH Mannheim, Urteil v. 25.08.2022, Az.: 1 S 3575/21 , https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/10525253/?LISTPAGE=1213200 
14 BVerwG, Beschluss vom 23.05.2023, Az. BVerwG 6 B 33.22, https://www.bverwg.de/de/230523B6B33.22.0
15 BVerwG, Beschluss vom 23.05.2023, Az. BVerwG 6 B 33.22, https://www.bverwg.de/de/230523B6B33.22.0 16 BVerwG, Beschluss vom 23.05.2023, Az. BVerwG 6 B 33.22, https://www.bverwg.de/de/230523B6B33.22.0 17 Online Artikel v.24.01.2024, Lifesitenews, “German government plans to restrict por life activism in front of abortion facilities”, https://www.lifesitenews.com/news/german-govt-plans-to-restrict-pro-life-activism-in-front-of-abortion-facilities/

18 IDEA online Artikel vom 13.03.2017,”drei linksextreme Angriffe auf christliche Lebensrechtler”; hhttps://www.idea.de/spektrum/drei-linksextreme-angriffe-auf-christliche-lebensrechtler 

19 Catholic News Agency online Artikel v. 06.03.2024, “Pro-abortion activists aggressively harass peaceful pro- life prayer vigil in Germany”; https://www.catholicnewsagency.com/news/257013/pro-abortion-activists- aggressively-harass-peaceful-pro-life-prayer-vigil-in-germany 
20 Online Pressemitteilung 40 DFL Int. v. 04.03.2024 “Angriff auf eine friedliche Gebetsversammlung in Frankfurt am Main; https://40daysforlifeinternational.com/de/wl/sec/nachricht/id/angriff-auf-eine-friedliche-gebetsversammlung-in-frankfurt-am-main 
21 Online Pressemitteilung 40 DFL Int. V. 13.02.2024, “Unsere Antwort ist das friedliche Gebethttps://40daysforlifeinternational.com/de/wl/sec/nachricht/id/unsere-antwort-ist-das-friedliche-gebet 
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